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Hilfe für den „Freund und Helfer“

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Datum:
Veröffentlicht: 20.12.24
Von:
Dominik Schreiner

Polizistinnen und Polizisten sind immer dann zur Stelle, wenn es brenzlig wird. Ihr Beruf konfrontiert sie regelmäßig mit Unfällen, Gewalttaten und schlimmen Schicksalen. Erfahrungen, die trotz aller Professionalität und Routine durch Mark und Bein gehen können. Reden hilft dann, zum Beispiel mit Polizeiseelsorgerin Dr. Regina Postner. Sie hat für die Beamtinnen und Beamten im Erzbistum Bamberg stets ein offenes Ohr – und leistet noch viel mehr als das. Ein Einblick in die Arbeit der Polizeiseelsorge.

Das erste Mal, als sie den Abzug einer Pistole gedrückt hat, hallt noch bis heute in ihrem Körper nach: „Der laute Knall, diese enorme Wucht, die die Arme nach oben reißt, und dann die Stille“, erinnert sich Dr. Regina Postner. Wahrlich erschütternd.

In ihrem Theologiestudium habe sie „leider nichts zum Schusswaffengebrauch gelernt“, scherzt die Pastoralreferentin. Das musste sie nachholen, denn seit gut drei Jahren ist Postner als katholische Polizeiseelsorgerin für die Region Nordbayern zuständig – und damit für die Polizeibediensteten und deren Angehörige im Erzbistum Bamberg sowie in Teilen der Bistümer Würzburg, Eichstätt und Regensburg.

Beim Einzug in ihr Büro auf dem Gelände der Nürnberger Bereitschaftspolizei war ihr noch nicht ganz bewusst, dass sie hier quasi noch einmal einen völlig neuen Beruf erlernen wird, sagt Postner. Dass Erfahrungen wie das Schießen mit einer Pistole essenziell sind für ihre Arbeit als Polizeiseelsorgerin, hat sie mittlerweile verstanden, denn zu ihren Kernkompetenzen muss es gehören, sich in die Polizistinnen und Polizisten hineinversetzen zu können: Wie sieht deren Alltag aus? Mit welchen Belastungen haben sie zu kämpfen? Wie fühlt es sich an, eine tödliche Waffe in der Hand zu halten? Um das herauszufinden, sucht sie regelmäßig Einblicke in unterschiedlichste Abteilungen und Einsatzgebiete der Polizei. In den letzten Sommerferien hat sie zum Beispiel beim Kriminaldauerdienst hospitiert und war unter anderem dabei, als Leichen inspiziert wurden. Demnächst steht eine Schicht mit der Verkehrspolizei auf dem Programm.

Grenzerfahrungen im Dienst

Schnell werde einem dabei klar, dass die Beamtinnen und Beamten immer wieder in Situationen kommen, die nicht leicht zu verdauen sind, erklärt Postner. Ein Stück weit gehört das zum Berufsbild, doch es kann eben vorkommen, dass es Erlebnisse gibt, die traumatisch sind, so dass Heilung und Reflexion nötig sind – und auch Beistand von außen. Die Polizeiseelsorgerin ist dann einfach da und hört zu, denn: „Reden hilft!“ Postner kann die Situation meist nicht ändern, aber sie kann sie mit den Betroffenen aushalten. Oft hilft es, die Verzweiflung, Wut oder Trauer einmal unverblümt zum Ausdruck zu bringen.

Wenn sie um ein Gespräch gebeten wird, geht es jedoch nicht ausschließlich um die Polizeiarbeit. Manchmal kommen auch private Anliegen und Probleme der Polizeibediensteten zur Sprache oder es gibt Gespräche mit Angehörigen und Familienmitgliedern. Häufig sei der Übergang zwischen Beruflichem und Privatem sowieso fließend, sagt Postner.

Gerade bei solchen Grenzsituationen hilft es, dass Polizeiseelsorgende das Zeugnisverweigerungsrecht besitzen. Die Inhalte ihrer Gespräche bleiben, wie bei Beichtgesprächen auch, absolut vertraulich. Das gewährleistet den Polizeibediensteten einen Schutzraum, in dem sie ihre Probleme, Ängste und Nöte ansprechen können, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.

Die Seelsorge leistet damit einen wichtigen Beitrag, nicht nur für das Wohlergehen einzelner Polizistinnen und Polizisten, sondern auch für die Funktionalität der gesamten Organisation, so Polizeipräsident Michael Dibowski: „Wir reden hier über belastende Situationen“, da könne es guttun, mit jemandem zu sprechen, der nicht aus der eigenen Abteilung kommt oder Vorgesetzter ist. Deswegen hält der Leiter der Bayerischen Bereitschaftspolizei es auch für „wichtig, dass die Seelsorge schon in der Ausbildung von Anfang an dabei ist“. Dadurch erfahre jede Beamtin und jeder Beamte, „dass es da Ansprechpartner gibt, zu denen man jederzeit kommen kann, wenn einem etwas auf dem Herzen liegt“.

Lehre und Ausbildung stellen neben der Begleitung der Polizeibediensteten das zweite große Standbein der Polizeiseelsorge dar. Im sogenannten berufsethischen Unterricht werden angehenden Polizistinnen und Polizisten nicht nur grundsätzliche Themen wie Menschenwürde und Menschenrechte nähergebracht, es geht auch um ganz praktische Aspekte ihrer späteren Arbeit, beispielsweise um den Umgang mit Tod und Sterben, das Verhalten in lebensbedrohlichen Einsatzlagen oder das Abwägen im Falle einer Pflichtenkollision. Darüber hinaus bietet die Polizeiseelsorge regelmäßig Gottesdienste, Andachten und Segnungen an oder organisiert Pilgerfahrten und Exerzitien.

So ist die Polizeiseelsorge organisiert

Die Polizeiseelsorge, das sind in der Region Nordbayern Dr. Regina Postner und ihr evangelisch-lutherischer Kollege Matthias Herling. Die Pastoralreferentin und der Pfarrer sehen sich als Team, ergänzen und vertreten sich gegenseitig. Wenn hier von ihnen gesprochen werde, dann sei tatsächlich immer nur von „der Polizeiseelsorge“ die Rede, versichern die beiden lächelnd. Gelebte Ökumene also.

Ähnlich gemeinschaftlich ist auch die Art und Weise, wie die Polizeiseelsorgenden in Staat und Kirche integriert sind. So ist Postner beim Erzbistum Bamberg angestellt, bekommt Büro, Dienstwagen und Handy jedoch von der Polizei gestellt. Ihr Gehalt wird vom Staat refinanziert. Das führt zu einer verantworteten Unabhängigkeit, so dass die Seelsorgerin zwar nicht offiziell zur Polizei gehört, mit ihrem Dienstausweis aber Zugang zu allen polizeilichen Dienststellen in Bayern hat. Grundlage für dieses Verhältnis ist ein auf der Bayerischen Verfassung basierender Vertrag zwischen dem Innenministerium und der Freisinger Bischofskonferenz, in dem der Freistaat um pastorales Personal für die Polizei bittet.

Dass diese Bitte eine sinnvolle ist, das kann wohl jeder erahnen, der am Sonntagabend schon einmal einen „Tatort“ gesehen hat. Regelmäßig treten dort Ertmittlerduos auf, deren mentale Verfassung in 90 Minuten so manche Berg- und Talfahrt durchmacht. Auch wenn der Berufsalltag der etwa 20.000 Polizeibeamtinnen und -beamten in Nordbayern weitaus weniger plakativ sein dürfte – die Gefahr, in ein Loch zu fallen, ist immer da. Und wenn es so weit kommen sollte, dann gibt es Hilfe für den „Freund und Helfer“.

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