Interreligiöse Kita in Hof:„Wir bauen eine Brücke“

Entlang des Grundstücks in der Königstraße 15 sind Bauzäune aufgereiht, es flattert weiß-rotes Absperrband. Schon bald wird das alles weichen. Noch in diesem Herbst soll die katholische Kindertagesstätte St. Marien hier einziehen. Der moderne Neubau steht unweit des Hofer Bahnhofs, mitten im Brennpunktviertel. Die Menschen, die hier leben, befinden sich nicht selten in prekären Lebenssituationen: Geflüchtete, Alleinerziehende, Eltern, die im Niedriglohnsektor arbeiten. Es treffen Kulturen, Religionen und Hautfarben aufeinander. „Nicht unbedingt unsere ‚Kern-Kundschaft‘ von katholischen Familien“, verdeutlicht Pfarrer Dr. Dieter Jung.
Gemeinsam mit Stefan Fleischmann, dem Leitenden Pfarrer des Seelsorgebereiches Hofer Land, begleitet Dr. Jung als Vorsitzender des Bauausschusses den Kita-Neubau. Dieser war dringend nötig – die bisherigen, nur einige Häuserecken entfernten Räume der Kita St. Marien wurden baufällig, eine Renovierung ausgeschlossen. Und dennoch war das Projekt nicht unumstritten. Als Bau- und Betriebsträger steckt die Kirche viel Geld und Mühe in den Kita-Neubau. Sollte sie das überhaupt, wenn die Einrichtung letzten Endes kaum von Kindern besucht wird, die der katholischen Glaubensgemeinschaft angehören?
„Ja!“, entgegnen die beiden verantwortlichen Priester entschieden. Man hätte sich zwar problemlos zurückziehen können, erklärt Fleischmann, doch man sehe sich in der Verantwortung gegenüber der Stadt und der Gesellschaft: „Als Kirche, als christliche Pfarrgemeinde, wollen wir uns einbringen – mit all den Herausforderungen, die damit verbunden sind.“ Was er damit meint, ist nicht nur das Sicherstellen von dringend benötigten Kita-Plätzen, sondern auch das Vermitteln zwischen Religionen und Kulturen.
„Kindertagesstätten sind ein wichtiger Ort, an dem Integration stattfindet“, sagt Dr. Jung. Zurzeit kommen weniger als zehn Prozent der etwa 90 Kinder in St. Marien aus katholischen Familien, rund die Hälfte von ihnen gehören Familien muslimischen Glaubens an, einige sind den Ostkirchen zugehörig und viele weitere stufen sich als gar nicht religiös ein. Dennoch würden in der katholischen Einrichtung ganz bewusst christliche Werte vermittelt und auch die katholischen Feiertage gefeiert, so Dr. Jung: „Es gibt einen Martinsumzug, kein Lichterfest.“
Bei den Kindern und Familien in St. Marien, die teilweise das erste Mal in Kontakt mit christlichen Traditionen und Glaubensinhalten kommen, stößt das nicht etwa auf Ablehnung, sondern in den allermeisten Fällen auf Neugier: „Zu bestimmten Festen wie zum Beispiel St. Martin laden wir Eltern und Familien mit ein, weil viele gerne wissen wollen, was wir da feiern, warum, und wie die Feste ablaufen“, sagt Saskia Kießling, die Leiterin der Kindertagesstätte St. Marien. Selbstverständlich wollten die Familien ihren Kindern im privaten Umfeld meist die Kultur und den Glauben aus ihrer Herkunftsregion nahebringen, doch es sei auf jeden Fall „eine gegenseitige Akzeptanz und ein Grundinteresse“ zu erkennen, so Kießling, „und das ist das Wichtigste“.
Genau damit ist nämlich schon viel gewonnen, denn „voneinander wissen und übereinander Bescheid wissen sind wichtige Integrationsschritte“, wie Stefan Fleischmann sagt. Der Leitende Pfarrer hat gleich zu Beginn seiner Zeit in Hof eine prägende Erfahrung bei der Hochzeit zweier arabischstämmiger Eheleute gemacht. Die Braut erzählte ihm, dass sie bereits als Kind mit der örtlichen Pfarrgemeinde in Berührung gekommen sei, weil sie eine katholische Kita besucht habe. „Bereits in dieser frühen Phase ihres Lebens war damit der Boden bereitet für eine gewisse Vertrautheit mit dem christlichen Glauben und ein gutes zwischenmenschliches Miteinander“, so Fleischmann. Aus dieser Erkenntnis heraus stelle er beispielsweise gerne den Pfarrsaal zur Verfügung für religionsübergreifende Veranstaltungen – und auch die Kita St. Marien habe demnach eine wichtige religions- und kulturverbindende Funktion: „Wir bauen da nicht nur ein Haus, wir bauen eine Brücke.“
Mit diesem Argument konnten letztlich auch die Skeptikerinnen und Skeptiker überzeugt werden, die es in den örtlichen Kirchenverwaltungen durchaus gab, und es wurde der Entschluss für einen Ersatzneubau und den Weiterbetrieb der Kita St. Marien gefasst. Rund 400.000 Euro investiert die Gesamtkirchengemeinde Hofer Land für den Bau, 500.000 Euro kommen vom Erzbistum Bamberg, und der größte Anteil wird vom Staat und der Stadt Hof mit einem Zuschuss in Höhe von 3,2 Millionen Euro beigesteuert. Viel Geld und viel Mühe für eine katholische Kindertagesstätte, die sicher nicht dort steht, wo man sie am ehesten erwarten würde, aber womöglich dort, wo sie am nötigsten gebraucht wird.
Abenteuergeschichten auf der Baustelle
Übrigens gibt es zu dem Bauprojekt auch ein begleitendes Buch. Parallel zum Ersatzneubau von St. Marien wurde in Hof auch das neue Verwaltungszentrum des Seelsorgebereichs errichtet, welches ebenfalls in der Nähe einer katholischen Kita liegt. Inspiriert von dieser Verbindung entstand die Idee, die Kinder in die Bauprojekte einzubeziehen. Pfarrer Fleischmann schrieb Geschichten über die Abenteuer des Maulwurfs Willi, die in Gruppenstunden und bei Baustellenbesuchen vorgelesen wurden. Am Ende wurden diese sogar in einem Buch zusammengefasst und von der Künstlerin Monika Fröh illustriert.
Weitere Materialien
Zitate zum Herausstellen
- „Kindertagesstätten sind ein wichtiger Ort, an dem Integration stattfindet.“ - Dr. Dieter Jung, Pfarradministrator und stellvertretender Leitender Pfarrer im Kath. Seelsorgebereich Hofer Land
- „Voneinander wissen und übereinander Bescheid wissen sind wichtige Integrationsschritte“ - Stefan Fleischmann, Leitender Pfarrer im Kath. Seelsorgebereich Hofer Land
- „Es ist auf jeden Fall eine gegenseitige Akzeptanz und ein Grundinteresse zu erkennen - und das ist das Wichtigste.“ - Saskia Kießling, Leiterin der Kindertagesstätte St. Marien in Hof
Illustrative Fotos
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